Viele Männer haben den Eindruck, dass ihr Haarausfall bei Stress verstärkt ist. Kann das sein? Und wie lässt sich diese Art von Haarausfall aufhalten?
Was nehmen Sie aus diesem Artikel mit?
- Wie wächst das Haar und wann fällt es aus?
- Wie beeinflusst psychischer Stress das Haarwachstum?
- Welche Arten von Haarausfall werden durch Stress beeinflusst?
- Symptome von Haarausfall
- Diagnose beim Arzt
- Wie kann stressbedingter Haarausfall behandelt werden?
Der Haarwachstumszyklus im Zusammenhang mit stressbedingtem Haarausfall
Der Haarwachstumszyklus besteht aus mehreren Phasen, die in einem kontinuierlichen Prozess ablaufen und das Wachstum, die Ruhe und den Ausfall des Haares bestimmen. Der Zyklus besteht aus den folgenden drei Hauptphasen [1]:
1. Anagenphase (Wachstumsphase):
- Dies ist die aktive Wachstumsphase des Haares. Sie dauert in der Regel 2 bis 6 Jahre.
- In dieser Phase wächst das Haar kontinuierlich, da die Haarfollikel aktiv Zellen produzieren. Etwa 85-90 % der Haare befinden sich gleichzeitig in dieser Phase.
2. Katagenphase (Übergangsphase):
- In dieser relativ kurzen Phase, die etwa 2 bis 3 Wochen dauert, kommt das Haarwachstum zum Stillstand.
- Die Haarfollikel schrumpfen und die Verbindung zwischen Haarwurzel und Blutversorgung wird unterbrochen. Diese Phase ist der Übergang in die nächste Ruhephase. Nur etwa 1-3 % der Haare befinden sich in dieser Phase.
3. Telogenphase (Ruhephase):
- Diese Phase dauert etwa 2 bis 4 Monate. Während dieser Zeit ruht das Haar und bleibt im Follikel verankert, ohne weiter zu wachsen.
- Schließlich wird das Haar aus dem Follikel herausgedrückt und fällt aus, oft durch alltägliche Aktivitäten wie Waschen oder Bürsten, verstärkt durch z.B. Haarstyling, was Spannungshaarausfall genannt wird. In dieser Phase befinden sich etwa 10 bis 15 % der Haare.
Nach der Telogenphase beginnt der Zyklus von neuem und ein neues Haar wächst im Follikel. Dieser Haarwachstumszyklus sorgt dafür, dass immer ein Teil der Haare wächst, während andere ausfallen. Dadurch bleibt unter normalen Bedingungen ein dichter Haarbewuchs erhalten.
Störungen der Haarfollikel und Haarausfall durch psychischen Stress
Bei Stress wird in den Nebennieren Cortisol freigesetzt. Ein hoher Cortisol-Spiegel kann zu Haarausfall führen, da das Stresshormon das Haarwachstum beeinträchtigt und die Haarfollikel in eine Ruhephase versetzt. Auf diese Weise ist der stressbedingte Haarausfall bedingt.
1. Cortisol:
Cortisol beeinflusst den Haarwachstumszyklus, indem es die anagene Phase verkürzt und den Übergang in die telogene Phase beschleunigt. Dies geschieht, weil Cortisol die Zellen in der sogenannten dermalen Papille der Haarfollikel beeinflusst. Die dermale Papille befindet sich unterhalb des Haarfollikels und sendet wichtige Signale für das Haarwachstum aus. Dadurch wird das Haarwachstum gehemmt, was langfristig zu sichtbarem Haarausfall und einer allgemeinen Ausdünnung des Haares führt. [2]
2. Stressreaktion direkt am Haar:
Der Haarfollikel hat aber auch eine eigene Stressreaktion: Er schüttet das Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) aus, das direkt auf den Haarfollikel wirkt. CRH aktiviert spezielle Zellen, so genannte Mastzellen, die sich um den Haarfollikel herum befinden. Diese Mastzellen setzen bei Aktivierung chemische Stoffe frei, die den Haarfollikel in die katagene Phase, also die Übergangsphase, versetzen. Das bedeutet, dass das Haarwachstum gestoppt wird und das Haar schließlich ausfällt. [3]
3. Das Immunsystem und der Haarfollikel:
Der Haarfollikel ist eine sogenannte "immunprivilegierte Zone", d.h. er wird normalerweise nicht vom eigenen Immunsystem angegriffen. Bei anhaltendem Stress kann dieser Schutz jedoch zusammenbrechen und zu Autoimmunreaktionen gegen die Haarfollikel führen. Ein Beispiel hierfür ist Alopecia areata, eine Form des kreisrunden Haarausfalls, die häufig durch emotionalen Stress ausgelöst wird. [3]
Arten von Haarausfall durch Stress bei Männern
Es gibt drei übergeordnete Diagnosen, die bei Haarausfall gestellt werden können. In den meisten Fällen überschneiden sich jedoch die auslösenden Faktoren.
Telogenes Effluvium
Telogenes Effluvium ist eine Form des Haarausfalls, bei der eine erhöhte Anzahl von Haarfollikeln vorzeitig in die Telogenphase (Ruhephase) übergeht. Normalerweise befinden sich ca. 5-10% der Haare in der Telogenphase, beim telogenen Effluvium steigt dieser Anteil deutlich an, was zu verstärktem Haarausfall führt.
Telogenes Effluvium wird häufig durch Einflüsse wie eine schwere Krankheit, Nährstoffmangel oder Medikamenteneinnahme ausgelöst. Stress kann ebenfalls ein Auslöser sein, da er den Haarzyklus beeinflusst und mehr Haarfollikel in die Ruhephase drängt.
Der Haarausfall beginnt in der Regel etwa drei Monate nach dem auslösenden Ereignis, denn so lange dauert es, bis ein Haarfollikel in die telogene Phase übergeht und schließlich ausfällt.
Das telogene Effluvium kann mehrere Monate andauern, bis sich der Haarzyklus wieder normalisiert. In den meisten Fällen ist dieser Haarausfall durch Stress jedoch reversibel, sobald der auslösende Faktor beseitigt ist. Die Haare wachsen wieder nach und erreichen ihre normale Dichte, sobald sich der Körper erholt hat und der Haarzyklus wieder normal abläuft. [4]
Alopecia areata
Alopecia areata, auch kreisrunder Haarausfall genannt, ist eine Form des Haarausfalls, die durch das körpereigene Immunsystem verursacht wird, das die Haarfollikel angreift. Die Haarfollikel bleiben intakt und es besteht daher die Möglichkeit, dass Haare nachwachsen.
Alopecia areata tritt oft plötzlich auf und zeigt sich in Form von runden oder ovalen haarlosen Flecken auf der Kopfhaut oder anderen behaarten Körperstellen. Die Krankheit kann vorübergehend oder chronisch sein. In einigen Fällen wachsen die Haare nach einigen Monaten spontan wieder nach, in anderen Fällen kann der Zustand über Jahre anhalten und es kann zu wiederkehrenden Schüben kommen.
Stress gilt als einer der häufigsten Auslöser von Alopecia areata, da er das Immunsystem beeinflusst und die Immunreaktion gegen die Haarfollikel verstärken kann. Diese Autoimmunreaktion führt zur Unterbrechung des Haarwachstums und schließlich zum Haarausfall wegen Stress.
In schweren Fällen kann es zu einer vollständigen Kahlheit der Kopfhaut (Alopecia totalis) oder des gesamten Körpers (Alopecia universalis) kommen. In den meisten Fällen bleibt jedoch die Regenerationsfähigkeit der Haarfollikel erhalten, d.h. die Haare können nach erfolgreicher Behandlung oder nach Beseitigung der auslösenden Faktoren wieder nachwachsen. [4]
Androgenetische Alopezie
Androgenetische Alopezie, auch erblicher Haarausfall genannt, ist eine der häufigsten Formen von Haarausfall bei Männern. Er tritt oft im Zusammenhang mit Schuppen auf.
Erblicher Haarausfall ist androgenabhängig, das heißt, sie wird durch männliche Hormone (Androgene) ausgelöst, es ist also kein Haarausfall wegen der Schuppen.
Ursache ist eine genetisch bedingte Empfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber Dihydrotestosteron (DHT), einem Abbauprodukt des Hormons Testosteron.
Bei den Betroffenen schrumpfen die Haarfollikel allmählich und aus dicken, kräftigen Haaren werden dünnere und kürzere.
Zu stoppen ist stressbedingter Haarausfall in Verbindung mit erblich bedingtem Haarausfall nicht, da androgenetische Alopezie eine fortschreitende Erkrankung ist, die oft in der späten Jugend oder im jungen Erwachsenenalter beginnt und im Laufe der Jahre fortschreitet. Typisch für Männer ist der Haarausfall an den Schläfen und am Oberkopf (Geheimratsecken und Tonsur). [4]
Bei dieser Art des Haarausfalls kommt eine Haartransplantation für Männer in Frage.
Erkennen der Anzeichen von stressbedingtem Haarausfall
Ein typisches frühes Anzeichen für stressbedingten Haarausfall ist das vermehrte Auftreten von Haaren in der Bürste, im Duschabfluss oder auf dem Kopfkissen.
Natürlich verliert jeder Mensch täglich eine gewisse Anzahl von Haaren - im Durchschnitt etwa 50 bis 100 - aber wenn sich plötzlich büschelweise Haare lösen, kann das auf stressbedingten Haarausfall hindeuten. Das Haar scheint auch dünner zu werden, was besonders bei direkter Beleuchtung oder im Spiegel sichtbar wird.
Eine Methode, den Haarausfall zu bestimmen, ist das systematische Sammeln aller Haare, die in einem bestimmten Zeitraum ausgefallen sind. [5]
Bewährt hat sich auch die so genannte "60-Sekunden-Haarzählmethode": Man bürstet die Haare genau 60 Sekunden lang über ein weißes Tuch und zählt die ausgefallenen Haare. Normal sind etwa 10 bis 20 Haare, bei mehr als 20 Haaren könnte es sich um einen erhöhten Haarverlust handeln. Diese Methode wird an mehreren Tagen hintereinander durchgeführt, um einen Durchschnittswert zu ermitteln. So können der Haarverlust durch Stress objektiv beurteilt und Veränderungen im Verlauf beobachtet werden. [6]
Diagnose des stressbedingten Haarausfalls
Die Konsultation eines Dermatologen oder Trichologen ist von entscheidender Bedeutung, da dieser aufgrund seines Fachwissens, seiner Untersuchungsmethoden und seiner Erfahrung besser in der Lage ist, die richtige Diagnose zu stellen. Es gibt verschiedene mögliche Ursachen, die zu Haarausfall führen können und die der Arzt oder die Ärztin zuordnen kann. Ob es sich um stressbedingten oder genetisch bedingten Haarausfall handelt, kann die Fachperson durch gezielte Untersuchungen wie Haarwurzelanalysen oder Bluttests feststellen. So kann die richtige Behandlung gewählt werden, um den Haarausfall wirksam zu bekämpfen. [5]
Haarausfall durch Stress: Was tun?
Unabhängig von der Art des Haarausfalls kann Stress den Haarausfall verstärken. Auch andere Einflussfaktoren sollten optimiert werden, um die Menge der ausfallenden Haare zu minimieren.
Techniken zur Stressbewältigung:
Haarausfall nur durch Stress lässt sich stoppen: Zunächst sollten die Stress auslösenden Ursachen identifiziert werden, um sie gezielt zu reduzieren oder den Umgang mit ihnen zu verbessern.
Methoden wie Meditation, Yoga, Atemübungen oder autogenes Training helfen, das Stressniveau zu senken und das allgemeine Wohlbefinden zu fördern. [7] In manchen Fällen kann auch eine Psychotherapie sinnvoll sein, um effektive Bewältigungsstrategien zu entwickeln. [8]
Unterstützung durch Ernährung
Eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung mit wichtigen Nährstoffen wie B-Vitamine, Vitamin D, Zink, Eisen, Selen [9] und Omega-3-Fettsäuren [10] trägt zur Stärkung der Haarwurzeln bei. Daher unterstützen Lebensmittel wie Nüsse, grünes Blattgemüse und fettreicher Fisch das Haarwachstum und die Gesundheit der Kopfhaut.
Änderung der Lebensweise
Sportliche Aktivität [11] und ausreichend Schlaf [12] unterstützen die natürlichen Mechanismen des Körpers, Stress abzubauen und Haarausfall durch Stress zu vermindern. Andererseits tragen ungesunde Gewohnheiten wie Rauchen, Übergewicht und bestimmte Stoffwechselkrankheiten zur Entstehung freier Radikale bei, die die Haarfollikel schädigen können. [13]
Medizinische Behandlung
Um den Haarausfall aufzuhalten, und zwar zur Behandlung der androgenetischen Alopezie, kommen Medikamente wie Minoxidil [14], Finasterid [15] und Alfatradiol [16] in Frage.
Bei Alopecia areata wird der Haarausfall mit Cortisol in Form von Cremes, Injektionen in die betroffenen Stellen und Tabletten behandelt. Diphencypron [17] und Squarsäuredibutylester [17] werden verwendet, um eine kontrollierte allergische Reaktion zur Stimulierung des Haarwachstums hervorzurufen. In schweren Fällen steht der neue Wirkstoff Baricitinib [18] zur Verfügung.
Die Auslöser des telogenen Effluviums sind sehr unterschiedlich. Sie müssen identifiziert werden, um sie gezielt behandeln zu können. Z.B. muss bei Haarausfall aufgrund einer Schilddrüsenunterfunktion die Schilddrüse behandelt werden.
Quellen
[1] Natarelli N, Gahoonia N, Sivamani RK. Integrative and Mechanistic Approach to the Hair Growth Cycle and Hair Loss. Journal of Clinical Medicine. 2023; 12(3):893. https://doi.org/10.3390/jcm12030893
[2] Bryant, E. How stress causes hair loss. NIH National Institute of Aging. 13.04.2021. https://www.nia.nih.gov/news/how-stress-causes-hair-loss
[3] Ito T. Hair follicle is a target of stress hormone and autoimmune reactions. J Dermatol Sci. 2010;60(2):67-73. doi:10.1016/j.jdermsci.2010.09.006.
[4] Bolognia, J., Jorizzo, J. L., & Schaffer, J. V. (2012). Dermatology. Elsevier Saunders. https://www.google.de/books/edition/Dermatology_E_Book/A78BaiEKnzIC?hl=de&gbpv=0
[5] Dhurat R, Saraogi P. Hair evaluation methods: merits and demerits. Int J Trichology. 2009;1(2):108-119. doi:10.4103/0974-7753.58553.
[6] Wasko CA, Mackley CL, Sperling LC, Mauger D, Miller JJ. Standardizing the 60-second hair count. Arch Dermatol. 2008;144(6):759-762. doi:10.1001/archderm.144.6.759.
[7] Goyal M, Singh S, Sibinga EM, et al. Meditation programs for psychological stress and well-being: a systematic review and meta-analysis. JAMA Intern Med. 2014;174(3):357-368. doi:10.1001/jamainternmed.2013.13018.
[8] Nakao M, Shirotsuki K, Sugaya N. Cognitive-behavioral therapy for management of mental health and stress-related disorders: Recent advances in techniques and technologies. Biopsychosoc Med. 2021;15(1):16. Published 2021 Oct 3. doi:10.1186/s13030-021-00219-w.
[9] Almohanna HM, Ahmed AA, Tsatalis JP, Tosti A. The Role of Vitamins and Minerals in Hair Loss: A Review. Dermatol Ther (Heidelb). 2019;9(1):51-70. doi:10.1007/s13555-018-0278-6.
[10] Le Floc'h C, Cheniti A, Connétable S, Piccardi N, Vincenzi C, Tosti A. Effect of a nutritional supplement on hair loss in women. J Cosmet Dermatol. 2015;14(1):76-82. doi:10.1111/jocd.12127.
[11] Morava A, Dillon K, Sui W, Alushaj E, Prapavessis H. The effects of acute exercise on stress reactivity assessed via a multidimensional approach: a systematic review. J Behav Med. 2024;47(4):545-565. doi:10.1007/s10865-024-00470-w.
[12] Stress and Sleep. The American Psychological Association. https://www.apa.org/news/press/releases/stress/2013/sleep
[13] Trüeb RM. The impact of oxidative stress on hair. Int J Cosmet Sci. 2015;37 Suppl 2:25-30. doi:10.1111/ics.12286.
[14] Maucher, I. Minoxidil. Gelbe Liste. 14.09.2022. https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Minoxidil_41175
[15] Maucher, I. Finasterid. Gelbe Liste. 24.06.2019. https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Finasterid_21381
[16] Maucher, I. Alfatradiol. Gelbe Liste. 27.03.2024. https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Alfatradiol_45056
[17] Ramm-Fischer, A. Topische Immuntherapie bei Alopecia areata wirkt. Gelbe Liste. 10.09.2018. https://www.gelbe-liste.de/dermatologie/topische-immuntherapie-alopecia-areata
[18] Maucher, I. Baricitinib. Gelbe Liste. 28.06.2022. https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Baricitinib_54436
Dieser Artikel dient nur allgemeinen Informationszwecken und beabsichtigt nicht, eine medizinische Behandlung in irgendeiner Form zu fördern und ist kein Ersatz für die Konsultation eines professionellen Arztes. Bitte wenden Sie sich an Ihren Arzt, um eine persönliche medizinische Beratung zu erhalten. Für einen medizinischen Rat sollten Sie immer den Rat eines Arztes oder eines anderen qualifizierten Gesundheitsdienstleisters einholen.